Die Technologiebranche erzielt im Edelman Trust Barometer Vertrauenswerte, von denen andere Branchen nur träumen können. Und das seit vielen Jahren. Aber: Sieht man genauer hin, zeigt sich, dass zwar die Branche als Ganzes als glaubwürdig gilt, für jede einzelne Technologie gilt das deshalb noch lange nicht. Besonders neuen Systemen und Anwendungen bringen die Menschen wenig Vertrauen entgegen. Für Unternehmen heißt das, sie müssen kommunizieren und den Nutzen einer neuen Technologie erklären.

Fast könnte man meinen, es ist alles beim Alten in der Technologiebranche. Das suggeriert ein erster Blick auf die Vertrauenswerte im Edelman Trust Barometer 2017, der größten jährlichen Untersuchung zur Glaubwürdigkeit u.a. von Unternehmen. 75 Prozent der Befragten in 28 Ländern geben an, dass sie Technologieunternehmen vertrauen. Damit zeigt sich auch 2017 das seit Jahren bekannte Bild: Technologie führt den Branchenvergleich an - mit einem deutlichen Vorsprung. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Lebensmittelbranche mit 66 Prozent sowie Automotive, die sich um fünf Punkte auf 65 Prozent verbessern konnte - nach einem durch den Dieselskandal ausgelösten Vertrauensknick im Jahr 2016.

Alles in Ordnung also in der Technologie, könnte man meinen. IT- und Internet-Unternehmen sowie inzwischen auch Automobilhersteller und Maschinenbauer entwickeln ihre Produkte in nie da gewesener Geschwindigkeit weiter - Fabriken werden vollständig automatisiert und Lieferketten komplett vernetzt. Unmengen von Daten werden nicht nur gesammelt, sondern auch ausgewertet. Künstliche Intelligenz - der nächste Quantensprung in der Digitalisierung - sorgt dafür, dass sich Systeme und Anwendungen in Zukunft selbst verbessern. Mehr Effizienz, bessere Funktionalitäten, ganz automatisch.

Fortschritt zu schnell für viele Menschen

Eine schöne neue Welt, in der nicht mehr nur monotone Arbeiten von Maschinen erledigt werden, sondern auch das (Weiter-) Denken. Doch so einfach ist es nicht. Und das liegt weniger an den enormen Herausforderungen, vor denen Programmierer und Ingenieure stehen, um zum Beispiel das selbstfahrende Auto zum sichersten Verkehrsmittel aller Zeiten zu machen. Das zu schaffen ist vermutlich allein eine Frage der Zeit. Viel schwerer wiegt die Tatsache, dass vielen Menschen der technologische Fortschritt zu schnell geht. Das hat Edelman bereits mit dem Trust Barometer 2015 nachgewiesen. Und das zeigt sich auch 2017 wieder. Zwei Beispiele:

Selbstfahrenden Autos vertrauen die Menschen in 16 der im Edelman Trust Barometer untersuchten 28 Länder nicht. In zehn Märkten ist das Vertrauen seit dem vergangenen Jahr sogar zurückgegangen. Ein Grund könnte der erste tödliche Unfall mit einem Tesla im Autopilot-Modus sein, der viel kritische Berichterstattung nach sich gezogen hat. Die Vertrauenswerte zeigen deutlich, dass diese Technologie noch einen langen Weg vor sich hat, um von den Menschen angenommen zu werden. Und das gilt obendrein in besonderem Maße für Deutschland: In der Heimat einiger der wichtigsten Autohersteller der Welt ist das Vertrauen in autonomes Fahren mit 29 Prozent so gering wie in kaum einem anderen Land. Unterboten wird dieser Wert nur noch von Irland, wo nur 26 Prozent der Befragten angeben, dass sie selbstfahrenden Autos vertrauen.

Beim Thema Blockchain sieht es noch düsterer aus: In 18 Ländern vertraut nur eine Minderheit dieser Technologie. Vielleicht liegt das daran, dass von Blockchain vor allem im Zusammenhang mit der Finanzindustrie gesprochen wird - und damit der Branche, die seit der Finanzkrise in einer Vertrauenskrise steckt, aus der sich Banken und Finanzdienstleister nur sehr langsam herausarbeiten. Das die Blockchain das Potenzial hat, die Geschäftsmodelle genau dieser Unternehmen obsolet zu machen, dürfte den meisten Menschen bisher entgangen sein, ebenso wie die Möglichkeiten dieser Technologie jenseits der Neugestaltung von Zahlungsströmen.

Mangelndes Vertrauen kostet Geld

Mangelndes Vertrauen ist ein ernst zu nehmendes Problem, das sehr viel Geld kosten kann. Ingenieure und Programmierer mögen noch so sinnvolle Produkte und Dienste entwickeln - dass diese erfolgreich werden, wenn Menschen ihnen nicht vertrauen, ist ausgeschlossen. Unternehmen müssen daher alles daransetzen, Vertrauen zu gewinnen, vor allem indem sie erklären. Die Tatsache, dass eine Technologie funktioniert, reicht heute bei weitem nicht mehr aus. Ihr Nutzen für die Gesellschaft muss deutlich werden.

Dass es gelingen kann, Vertrauen für neue Technologien zu gewinnen, zeigt das Beispiel des Internet der Dinge. Die Vertrauenswerte in die Vernetzung von Warenströmen und Haushaltsgeräte sind seit dem vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen. In Japan zum Beispiel ging es um 38 Punkte auf 49 Prozent in die Höhe, in Hong Kong um 32 Punkte auf 60 Prozent und in Polen, Südafrika und Argentinien um 26 Punkte. Die Zahl der Länder, in denen eine Mehrheit der Menschen dieser Technologie nicht vertraut, ist auf neun geschrumpft.

Deutschland hinkt hinterher

In Deutschland ist das Vertrauen in das Internet der Dinge immerhin um 16 Prozent gestiegen. Doch in dieser positiven Entwicklung steckt ein großes Aber: Mit einem Vertrauenswert von 42 Prozent bildet Deutschland zusammen mit Schweden das Schlusslicht im internationalen Vergleich. Das Fatale daran: der Maschinenbau bildet mit der Autoindustrie das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Und Maschinen werden sich ohne Vernetzung nicht mehr verkaufen lassen. Die deutschen Maschinenbauer müssen die nächste industrielle Revolution selbst anzetteln, wenn sie sich weiter behaupten wollen auf dem Weltmarkt.

Die Voraussetzungen können nicht allein Ingenieure und Programmierer schaffen. Die Unternehmen brauchen auch eine Kommunikation, die von den Menschen aus denkt und sie mitnimmt auf die Reise in eine Zukunft, in der sich vieles noch schneller verändert als heute. Das Trust Barometer liefert erste Hinweise darauf, wo eine erfolgreiche Kommunikation ansetzen muss. Zum Beispiel bei der Angst vieler Menschen, den Job zu verlieren - weil Arbeitsplätze ins billigere Ausland verlegt werden (60 Prozent), ausländische Wettbewerber besser oder billiger sind (55 Prozent) oder Einwanderer für weniger Geld arbeiten (51 Prozent).

Diese Ängste müssen Unternehmen erst nehmen, nicht nur indem sie zuhören, sondern auch indem sie handeln. Die Zukunft lässt sich nur mit den eigenen Mitarbeitern und Kunden gestalten. Beide Gruppen haben einen berechtigten Anspruch darauf, gehört zu werden. Nur dann können gute Arbeitsbedingungen für die Belegschaft und passende Produkte für die Kunden geschaffen werden. Für Technologieunternehmen gilt das in besonderem Maße. Denn Veränderungen sind in der Branche noch häufiger als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Und gleichzeitig sind alle Unternehmen gut beraten, sich die erfolgreichen Spieler in der Technologiebranche genau anzusehen. Denn in Zukunft wird es nur noch Technologieunternehmen geben.