Vom 2. bis 4. Dezember verfolgten mehr als 104.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Vorträge von 1.100 Speakerinnen und Speaker an den heimischen Monitoren. In Zeiten rasanter Technologieentwicklung und geoökologischen Veränderungen brachten die Macher der Web Summit u. a. Gründer und CEOs von Technologieunternehmen und politischen Entscheidungsträger/innen zusammen, um Ausblicke, Orientierung und Inspiration zu geben.


Die Web Summit 2020 als virtuelle Veranstaltung
– kann das funktionieren?

Während die Web Summit in 2019 mehr als 75.000 Besucher auf 100.000 m² Expo-Fläche begrüßte, mussten die Macher im Jahr der Pandemie die Veranstaltung komplett neu denken. Rein virtuell, ohne Händeschütteln, After-Show-Party und spontane Meetings in den Coffee Breaks.

Kann die Konferenz als digitale Veranstaltung gegen das physische Event in Lissabon bestehen? Unsere Antwort: Ja. Wo sonst an Ständen, Fressbuden oder Expos neue Kontakte geknüpft wurden, lieferte die Web Summit 2020 neben zahlreichen Sessions, Masterclasses, Roundtables, personalisierten Empfehlungen für Gesprächspartner und dem Mingle-Feature (3-minütiger Video-Chat per Zufallsprinzip) viel Mehrwert, um am heimischen Screen interessante neue Kontakte aus aller Welt kennenzulernen.


Drei Learnings mit großer Bedeutung für die Zukunft

Die Fülle an Inspiration war überwältigend. So verwunderte es in persönlichen Gesprächen nicht, dass jede Besucherin und jeder Besucher eigene Favoriten hinsichtlich Themen und Speaker hatten. Die Entwicklungen der Digitalisierung haben aus meiner Perspektive in drei Bereichen gravierende Auswirkungen – jetzt und in der Zukunft:


Mobilität

Geprägt von veränderten politischen Rahmenbedingungen und Wettbewerbsdruck seitens technologiebasierter Unternehmen arbeiten die Großen der Automobilhersteller mit Hochdruck an neuen Services und Geschäftsmodellen. Mit der beschleunigten Digitalisierung, insbesondere Künstliche Intelligenz, Big Data und IoT bereiten sich die Player der Automotive-Branche auf einen enormen Wandel im Jahr 2021 vor. Während in der öffentlichen Diskussion hauptsächlich der Paradigmenwechsel von „going electric first“ dominiert, stellt Daimler-Chef Ola Källenius in seinem Vortrag fest, dass eine wichtige Komponente fehlt: „Software first“. Denn das Automobilgeschäft werde sich laut Källenius zukünftig nicht mehr um den Moment des Fahrens drehen, sondern um Services wie autonomes Fahren, personalisierte Entertainment-Inhalte, Sicherheit der Insassen (predictive technologies) und datenbasiertes Machine-Learning.

Dementsprechend entwickelt Mercedes Benz sein eigenes Betriebssystem (MB.OS), um die Datenhoheit gegenüber Technologie-Giganten wie Google, Apple oder Tesla in den eigenen Autos zu verteidigen. Darüber hinaus stellt Källenius die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle in Aussicht, in denen Services wie verbesserte Fahrassistenzsysteme als monatliche Abo-Modelle neue Wege des Geldverdienens erschließen werden.


Gesundheit

Die Digitalisierung des öffentlichen Gesundheitswesens ist in vollem Gange. Neben der Entwicklung notwendiger IT-Infrastruktur und der Vernetzung aller Akteure des Gesundheitswesens steht auch die Entwicklung rechtlicher Standards und funktionaler Spezifikationen im Fokus. Wie können jedoch Technologien wie Künstliche Intelligenz eingesetzt werden, um z. B. die Qualität und Präzision von Diagnosen zu erhöhen? Dieser Frage geht u. a. Jim Swanson, CIO von Johnson & Johnson, auf den Grund und nennt wesentliche Trends für die medizinische Entwicklung und Forschung: Wie bei allen routinierten Arbeitsabläufen werden auch in Labors zukünftig repetitive Vorgänge automatisiert, um von Maschinen durchgeführt zu werden.

Die Anwendung automatisierter Datenanalyse und -auswertung birgt insbesondere in der medizinischen Produktforschung ein enormes Potenzial, wodurch komplexe biologische und chemische Daten deutlich effizienter analysiert werden können und so zur Verbesserung und Beschleunigung der Forschungsprozesse beitragen. Gleichzeitig betont Swanson, dass ein Unternehmen wie Johnson & Johnson auf strategische Allianzen und Partnerschaften, häufig mit Start-ups, ausgerichtet ist, um die komplexe Forschung der Biologie mit den Methoden und der Schnelligkeit von Tech-Unternehmen zu verbinden. Ein Trend, der sich auch in anderen Branchen wie Automotive und Energie beobachten lässt.


Klima

Eine Befragung der BitKom aus 2019 zeigt, dass 56 Prozent der deutschen Bundesbürger die Digitalisierung beim Kampf gegen den Klimawandel als hilfreiches Instrument bewerten. Mit dem Einsatz digitaler Technologien in Agrarwirtschaft, Energie- und Mobilitätsmanagement ist ein positiver Beitrag möglich. Justin Winters, CEO von One Earth, betont im Zusammenhang mit der Klimakrise: „Wir können noch immer die Klimakrise zum Besseren wenden, aber uns steht eine große Hürde im Weg: die Hoffnungslosigkeit“. Winters spricht sich daher für konkrete weltweite Ziele aus, um den kritischen Temperaturanstieg von 1,5 °C zu vermeiden: 1.) Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2050, 2.) Schutz von mindestens 50 Prozent der natürlichen Ökosysteme auf dem Land und im Wasser sowie 3.) Umstellung der industriellen Agrarökonomie hin zu nachhaltiger Landwirtschaft, Förderung von kleinbäuerlichen Betrieben und Umstellung der Monokulturen weltweit.

Bill Gross, Founder & CEO von Heliogen, unterstreicht in seinem Vortrag, dass der Klimawandel mit dem Einsatz technologischer Innovationen eine der größten wirtschaftlichen Chancen unserer Zeit birgt. Er setzt daher mit seinem Unternehmen an einer der größten Herausforderung der Energiegewinnung an: Erneuerbare Energien zu speichern, wenn sie produziert, jedoch noch nicht benötigt werden. Auch Gross setzt im Bereich der Energie auf strategische Allianzen für Technologie und Finanzierung, letztere u. a. durch den Klima-Visionär Bill Gates.

Das abschließende Statement von Bill Gross steht gefühlt stellvertretend für einem Großteil der inspirierenden Vorträge der digitalen Changemaker/innen, Visionär/innen und Innovatoren/innen auf der Web Summit 2020:

 

„It’s not about subsidizing something that’s not as good. It’s about making a transition to something that is actually better.”

 

Sie wollen mehr erfahren? 
Bei Fragen melden Sie sich bitte bei Felix Müller, Executive Director Digital Transformation: 

Kontakt