Was haben Deutschland im Jahr 2021 und Siena im späten Mittelalter gemeinsam? Auf den ersten Blick sehr wenig. Allerdings gab es damals wie heute Anlass, über die Rolle von Unternehmen in Staat und Gesellschaft nachzudenken.

Im Friedenssaal in Siena schwebt eine beinahe nackte Engelsgestalt über Handwerkern, Händlern und Bauern. Es handelt sich um Ambrogio Lorenzettis Darstellung der Securitas in seinen wunderbaren allegorischen Fresken zu den Effekten der Guten und der Schlechten Regierung in der Stadt und auf dem Land, entstanden zwischen 1337 und 1339. Die Botschaft, die der Engel trägt, ist heute so aktuell wie vor rund 700 Jahren: Unternehmen haben eine politische Verantwortung.

Genauso denkt im Frühjahr 2021 auch eine Mehrheit der Deutschen, wie das Edelman Trust Barometer Frühlings-Update zeigt: 53 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass sich die Folgen der Covid-19-Pandemie nur bewältigen lassen, wenn Unternehmen sich gesellschaftlich mehr einbringen. 64 Prozent aller Arbeitnehmer:innen erwarten ganz konkret von ihrem Unternehmen, dass es sich aktiv für mehr Impfungen, mehr Klimaschutz und gegen Rassismus engagiert – und das sind nur die Top 3 Themen im politischen Pflichtenheft für Führungskräfte.

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Auf dem Spruchband von Lorenzettis Securitas ist Folgendes zu lesen: 

Ohne Angst gehe jedermann frei seiner Wege. Und ein jeder bestelle seine Felder. Solange die Gemeinschaft die Herrschaft dieser Dame aufrechterhält. Denn sie hat die Bösen aller Macht beraubt.

Die „Dame“, auf welche der Engel verweist, ist die Justitia an der Stirnwand des Ratsaales. Die Wahrung einer stabilen Gesellschaft und sicherer Lebensumstände, so kommt in diesem Werk zum Ausdruck, ist eine Aufgabe der Gemeinschaft. Es ist die Aufgabe all jener, die in dieser Gemeinschaft leben, sich frei bewegen und unternehmerisch tätig sind. Ebenso steht es übrigens auch im Artikel 14 unseres Grundgesetzes: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Das politische Selbstverständnis der italienischen Kaufleute der Renaissance, das Lorenzetti im Palazzo Pubblico antizipiert, entstand in einer frühen Blütezeit des internationalen Warenverkehrs. Man könnte sagen, es entstand im Zuge einer ersten Welle der Globalisierung. Vor allem aber entstand es aus der Notwendigkeit heraus, die Grundlage des eigenen Wohlstandes zu schützen - vor den Effekten einer schlechten Regierung - oder eben auch vor den Folgen von Pandemien. Im Jahr 1348 starben rund zwei Drittel der Bevölkerung von Siena an der Pest. Trotz unser eigenen Pandemieerfahrung können wir heute wohl nur ahnen, welcher Anstrengungen es damals bedurfte, so etwas wie ein Gemeinwesen, Gerechtigkeit und Hoffnung aufrecht zu erhalten.

Doch zurück zu den Herausforderungen der Gegenwart. Im Vergleich zum Edelman Trust Barometer 2021, welches im Januar veröffentlicht wurde, zeigt das Frühlings-Update: Bei den Deutschen konnten die Regierung mit 55 % (-4 %pkt.; global: 56 %, +1 %pkt.) und Unternehmen mit 54 % (+/-0 %pkt.; global: 62 %, +2 %pkt.) im Frühjahr nicht weiter an Vertrauen gewinnen. Mit Blick in die Zukunft geben hierzulande nur knapp die Hälfte der Befragten (51 %; global: 64 %) an, dass – so schlimm es auch durch die Pandemie ist – die Krise zu wichtigen Innovationen und Veränderungen zum Besseren führen wird.

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Diese Zahlen zeigen, die Krise ist noch nicht überwunden. In einer anhaltenden Zeit der Unsicherheit, müssen Verantwortungsträger:innen in Politik, Wirtschaft und Medien die Chance nutzen, auf die Bedürfnisse und Sorgen der Menschen einzugehen. Das größte Vertrauen bringen die Menschen in Deutschland dabei aktuell der eigenen Führungskraft und Wissenschaftler:innen entgegen. Politiker:innen, Vertreter:innen der Kirchen und Journalist:innen wird eher nicht vertraut. Der Erwartungsdruck gegenüber dem/der eigenen Arbeitgeber:in steigt damit enorm. Unternehmen und vor allem ihre CEOs müssen sich dieser „nackten Wahrheit“ stellen: Wer von den Vorzügen einer guten Regierung und einer stabilen Gesellschaft profitiert, muss kontinuierlich und aktiv für ihren Erhalt Sorge tragen.

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© Ambrogio Lorenzetti: The Effects of Good Government in the Countryside (detail) 
- Wikimedia Commons

Mit der Gestalt seines beinahe nackten Engels erschuf Lorenzetti einen wirkungsvollen Blickfang für seinen Aufruf zur politischer Mitverantwortung der Unternehmer:innen seiner Zeit. Die allegorische Figur der unverhüllten Securitas verweist dabei auch auf die Entblößung, die mit jeder politischen und gesellschaftlichen Stellungnahme einhergeht. Unternehmen, Unternehmenslenker:innen und Marken, die öffentlich Stellung beziehen, exponieren sich in besonderer Weise. Sie verlassen die Komfortzone, riskieren etwas, treten ins Rampenlicht und machen sich angreifbar. Und dennoch ist das unternehmerische Engagement für politische und gesellschaftliche Zukunftsthemen auch heute das Gebot der Stunde.

Aber wie genau? Bei welchen Themen kann und soll ein Unternehmen, eine Marke oder ein CEO Stellung beziehen, sich aktiv engagieren und Haltung zeigen? Und bei welchen Themen besser nicht? Auf diese Fragen kann es nur individuelle Antworten geben. Aber anders als vor 700 Jahren können solche Entscheidungen heute auf der Basis von Daten getroffen werden. Edelmans jahrzehntelange Trust Forschung und Edelman Trust Management liefern die Grundlage für eine unternehmerisch verantwortliche, strategische und gesellschaftlich relevante Kommunikation, wie sie heute, im 21. Jahrhundert, von Unternehmen erwartet wird. 

 

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