Digitale Sprachassistenten wie Amazons Alexa, Google Assistant & Co sind auf dem Vormarsch. Marken müssen ihre Botschaften künftig so aufbereiten, dass sie von sprachbasierten künstlichen Gehirnen präferiert werden, die nun plötzlich für Menschen die Kaufentscheidungen treffen. Nichts ist mehr wie zuvor - und so bedeuten die sprechenden Maschinen für CMOs und ihre Marketingkollegen nicht weniger als einen Paradigmenwechsel.

Die neuen digitalen Helfer verändern nicht nur die Art und Weise, wie Menschen mit dem Internet kommunizieren, sondern auch ihre Bereitschaft, Privatsphäre zugunsten von Komfort aufzugeben.

Daraus lassen sich für unsere Branche einige neue Trends beobachten:

1) Ersetzt der digitale Sprachassistent das Smartphone?

Die plaudernden Computer werden als so praktisch empfunden, dass sie das Smartphone künftig zum Teil sogar ersetzen könnten. Schon jetzt steht in jedem sechsten US-Haushalt ein Alexa Sprachassistent, der auf Wunsch das Licht anknipst, Musik abspielt, online bestellt, Kochrezepte erklärt und Verkehrsverbindungen heraussucht - bis Jahresende 2020 sollen 75% der Haushalte darüber verfügen. Allein 2017 betrug der Zuwachs 128%.

Etwa ein Siebtel der Weltbevölkerung nutzt die sprachbasierte Suche, Prognosen sehen ein rasantes Wachstum bis 2021: 1,8 Milliarden Menschen sollen es dann sein, die Voice Search nutzen. In Märkten wie den USA, die Vorreiter für die Anwendung neuer Technologien sind, verwenden bereits 70% der 18-bis-29-Jährigen die sprachbasierte Suche, ab 54 Jahren sind es immerhin 38%.

Es ist durchaus nicht unwahrscheinlich, dass digitale Sprachassistenten sukzessive dem Smartphone den Rang ablaufen.

2) Die neue Achtsamkeit: Alexa & Co sorgen für bessere Konzentration

Offenbar treffen die sprechenden Helfer einen Nerv. Eine Google-Umfrage unter 1.500 Besitzern von Google Home und Amazon Echo im vergangenen Sommer ergab, dass die User zu neuer Konzentration zurückfinden, die ihnen ihre Smartphones geraubt haben. Weitere Argumente für die neue Technologie sind Komfort und Zeitersparnis - nur 40 Wörter kann man pro Minute tippen, aber 150 Wörter sprechen. Nutzer schätzen auch die persönliche Note: Sie sagten Google, es fühle sich an, als spräche man mit einem Freund oder Verwandten. Die meisten Anwender wollen nicht mehr auf die smarten Assistenten verzichten, nachdem sie sich an sie gewöhnt haben.

3) Aufbruchstimmung in der Marketingbranche

Diese neue Entwicklung birgt ganz neue Chancen für Marketer. Denn: Wer zuerst kommt und es geschickt anstellt, gräbt sich tief in Hirn und Herz der Konsumenten ein. Dazu muss man wissen: Die neuen Gatekeeper für Information und Interaktion ticken anders als gewohnt. Während die screenbasierte Suche lange Ergebnislisten auswirft, nennen digitale Sprachassistenten in der Regel nur eine Antwort.

Die wichtigste Frage, die Marketingleute derzeit umtreibt, lautet daher: Wie wird mein Content zum Featured Snippet, schafft es also auf Position Zero der organischen Sprachsuche? Webseitenoptimierung heißt das Zauberwort - per Voice SEO, auffindbaren guten Content auf den eigenen Websites und in sozialen Medien zu platzieren, sowie: zuhören, zuhören, zuhören.

Marken müssen sich also ganz genau überlegen, wie sie ihre Botschaften so aufbereiten, dass sprachbasierte KI sie bei Kaufentscheidungen präferiert. Soweit die Pflicht. Die Kür erreichen Marketer, wenn sie es schaffen, im Relevant Set des Konsumenten so weit vorne zu landen, dass der seine bereits getroffene Kaufentscheidung an den digitalen Helfer weitergibt: Alexa, bestell mir Feine Milde!

4) Earned Marketing: Markenerlebnisse mit nach Hause nehmen

Auch wenn die Sprachsuche weder Desktop noch Mobile komplett ersetzt, wird der intelligent kommunizierende Lautsprecher künftig vorwiegend zu Hause oder unterwegs im Auto zum Einsatz kommen.

Marken müssen sich also noch mehr denn je anstrengen, einzigartige Markenerlebnisse zu schaffen, die der Konsument mit nach Hause nimmt. Wer nun glaubt, mit dem Einsatz reichweitenstarker Influencer sei das Problem mal eben gelöst, ist auf dem Holzweg. Strategisches Storytelling wird jetzt gebraucht, das Voice Search und Earned Marketing mit sinnvollem Media-Einsatz kombiniert. You will never get a second chance for a first impression, der erste Wurf muss sitzen.

5) Umdenken bei der Wahl der Produktnamen

Auch muss man künftig den Produktnamen so wählen, dass Konsument und digitaler Helfer ihn schnell parat haben, wenn es um eine Kaufentscheidung geht. So mancher Marketer wird sich zudem fragen müssen, ob seine Submarken noch den richtigen Namen tragen oder ob das Produktportfolio nicht sprachnutzenbasiert neu getaggt werden sollte. Auch der prägnanteste Name braucht eine zur Marke passende Tonalität und Emotionalität.

6) Marken brauchen eine Stimme

Wenn die Stimme das neue Interface des Digitalen wird, wie der deutsche Netzphilosoph Sascha Lobo es formuliert (5), muss man sich auch fragen, welche Stimme man seiner Marke gibt. Wie klingt Edelvollmilchschokolade - und mit welcher Stimme spricht Zartbitter? Haben Edding Stifte einen anderen Sound als Stabilo Textmarker? Welches Klangprofil passt zu Roeckl Handschuhen?

Und wie verbinde ich die neue akustische Brand Identity mit einer sprachaffinen Earned-Marketing-Strategie? Fragen, mit denen sich künftig alle Marketer beschäftigen sollten, die in Zeiten digitaler Sprachassistenz und verbaler Suchanfragen erfolgreich bleiben wollen.

Der Artikel ist in längerer Fassung erstmals am 11. April 2018 auf horizont.net erschienen.