Lokale Krisen und Konflikte haben unvorhersehbare Folgen auf globaler Ebene, der Populismus schürt Misstrauen gegenüber Demokratien und ihren Repräsentanten, Fake News und Hate Speech verändern den gesellschaftlichen Diskurs. Die Vertrauenskluft zwischen den Eliten und der breiten Masse der Bevölkerung ist nach wie vor da. Für Unternehmen werden die Rahmenbedingungen, unter denen sie agieren, immer volatiler, schnelllebiger und komplexer. Gibt es einen Weg aus dieser Vertrauenskrise? Und welche Rolle spielen dabei Unternehmen und CEOs?

Die Welt durchlebt eine Phase tiefer Verunsicherung

In 20 der 28 im Edelman Trust Barometer 2018 untersuchten Ländern überwiegt die Verunsicherung. Besonders deutlich zu sehen ist diese Entwicklung in den USA. Im Jahr zwei der Präsidentschaft von Donald Trump zeigen die Ergebnisse in diesem Land den dramatischsten Vertrauensverlust in der 18-jährigen Geschichte der Studie. In der allgemeinen Bevölkerung fällt der Vertrauenswert um neun Punkte auf 43 Prozent. Noch deutlicher ist der Vertrauensverlust in der informierten Öffentlichkeit, also unter Menschen mit einem Hochschulabschluss, einem überdurchschnittlichem Haushaltseinkommen sowie intensiver Mediennutzung. Das Vertrauen implodiert geradezu und bricht um 23 Prozentpunkte auf 45 Prozent ein. Das ist, zusammen mit Südafrika, der niedrigste Wert der 28 untersuchten Länder. Weitere signifikante Abstürze in den Vertrauenswerten zeigen die Ergebnisse in Italien (minus 21 Punkte), Brasilien, Südafrika (je minus 17 Punkte), Indien und Kolumbien (je minus 13 Punkte). Gegenüber den vorher genannten Ländern befindet sich Deutschland in vergleichsweise ruhigen Fahrwassern. Das Vertrauen in der allgemeinen Bevölkerung bleibt stabil auf 41 Prozent, in der informierten Öffentlichkeit bei 54 Prozent. Für das generell eher skeptische Deutschland gute Werte.

Fake News verunsichern Menschen weltweit

Einer der wesentlichen Faktoren für den Vertrauensverlust: Fake News und die verzweifelte Suche nach Fakten. Aus der Vertrauenskrise, die sich bereits aus den Ergebnissen des vergangenen Jahres ablesen ließ, ist ein Ringen um die Wahrheit geworden, das eine noch tiefere Verunsicherung in der Bevölkerung nach sich zieht. Nahezu sieben von zehn Befragten weltweit (Deutschland: 61 Prozent) haben Angst vor Fake News, mit denen unter anderem Wahlen manipuliert werden könnten. Gleichzeitig sagen 63 Prozent (Deutschland 54 Prozent), dass sie nicht wissen, wie sie Falschinformationen von Qualitätsjournalismus unterscheiden sollen - im Newsfeed von Plattformen wie Facebook sehen schließlich alle Meldungen gleich aus. Aus dem anfangs teils belächelten Phänomen von Falschinformationen im Internet ist inzwischen eine ernste Bedrohung geworden, mit weitreichenden Folgen. Zum ersten Mal seit Erhebung des Edelman Trust Barometers ist die Institution Medien weltweit diejenige, der am wenigsten vertraut wird. In 22 der 28 untersuchten Länder überwiegt das Misstrauen.

Vertrauen in soziale Medien und Suchmaschinen sinkt

Der Vertrauensverlust in die Institution Medien ist vor allem auf einen Rückgang des Vertrauens in Plattformen wie Suchmaschinen und soziale Medien zurückzuführen. In 21 von 28 Ländern schwindet die Glaubwürdigkeit von Google, Facebook & Co. Auf globaler Ebene vertrauen Plattformen nur noch 51 Prozent der Befragten (minus zwei Punkte). Die Gegenbewegung dazu: Journalismus, wie ihn traditionelle Medien wie Zeitungen und TV-Sender sowie seriöse Onlinemedien betreiben, gewinnt deutlich an Vertrauen (global fünf Punkte auf 59 Prozent). In Deutschland klafft zwischen Journalismus (61 Prozent) und Plattformen (40 Prozent) eine noch größere Vertrauenslücke: 21 Punkte.

Menschen werden zu Medienmuffeln

Eine weitere bittere Folge von Fake News: Viele Menschen werden zu Medienmuffeln. In Deutschland geben 67 Prozent (global 50 Prozent) der Befragten an, dass sie weniger als einmal pro Woche Nachrichten lesen, hören oder sehen. Nur 15 Prozent (global 25 Prozent) beschäftigen sich mehrmals pro Woche mit dem Weltgeschehen. Gleichzeitig sind 66 Prozent der Menschen global (Deutschland 46 Prozent) der Meinung, dass Nachrichtenorganisationen mehr an einer möglichst großen Reichweite interessiert sind als an faktischen Informationen. Für 59 Prozent (Deutschland 47 Prozent) haben diese zudem eine politische Agenda und informieren nicht neutral über die Geschehnisse auf der Welt. Wenn Menschen nicht mehr zwischen Fakten und Falschinformationen unterscheiden können und sich auch nicht mehr durch Qualitätsmedien über das Weltgeschehen informieren, hat das grundlegende Folgen für unseren gesellschaftlichen Diskurs und den Zusammenhalt. Zur wichtigsten Aufgabe der Medien ist der Schutz einer hohen Informationsqualität geworden - doch diese Aufgabe ist wegen des vorhandenen Misstrauens und der Lügenpresse-Vorwürfe alles andere als einfach zu bewältigen.

Verunsicherung führt zu einem Revival des Vertrauens in Journalisten und Experten

Zeitgleich zeigen die Ergebnisse des Edelman Trust Barometers 2018: Menschen wünschen sich Fakten und Einordnung. Von Experten, die ihre Profession gelernt haben. Die Glaubwürdigkeit von Journalisten legt global um zwölf Punkte auf 39 Prozent zu. In Deutschland fällt der Anstieg noch deutlicher aus: um 19 Punkte auf 45 Prozent. Zu diesem Trend passen auch die verbesserten Glaubwürdigkeitswerte für technische und akademische Experten. Global stehen technische Experten mit 63 Prozent jetzt an der Spitze der Glaubwürdigkeitsskala (plus drei Punkte), gefolgt von Akademikern mit 61 Prozent (plus einen Punkt). Auch in Deutschland steigen die Werte für beide Gruppen: Technische Experten legen um sechs Punkte auf 60 Prozent zu, Akademiker um acht Punkte auf 57 Prozent.

CEOs: Navigatoren in der Welt des Misstrauens

Eine wichtige Rolle spielen auch CEOs. Sie genießen im Edelman Trust Barometer 2018 wieder mehr Vertrauen als im Vorjahr: global plus sieben Punkte auf 41 Prozent, in Deutschland plus sechs Punkte auf 34 Prozent. Beides sind im Vergleich zu den Vorjahren sehr gute Werte, die zudem zur Rolle passen, die CEOs und deren Unternehmen aus Sicht der Mehrheit innerhalb des gesellschaftlichen Gefüges spielen sollten: 64 Prozent der Befragten weltweit (Deutschland: 60 Prozent) sagen, CEOs sollten das Heft des Handelns in die Hand nehmen und Veränderungen vorantreiben, ohne auf die Regierung zu warten. Für CEOs und deren Unternehmen ist diese Erwartungshaltung und das hohe Vertrauen der Menschen ihnen gegenüber eine große Chance - aber auch eine große Verpflichtung. Wer diese Führungsrolle annimmt und der Verantwortung für die Gesellschaft nachkommen möchte, muss in einer polarisierten und ungewissen Welt anders agieren als bisher:

1. Langfristiges Engagement über das eigene Geschäftsmodell hinaus

Unternehmen sollen sich langfristig engagieren und Positives in der Welt bewirken. Tun sie dies nicht und denken nur daran, wie sie ihren Gewinn steigern können, werden sie langfristig scheitern - das sagen 56 Prozent der Befragten weltweit (Deutschland: 45 Prozent). Doch auch diejenigen, die sich engagieren, müssen beweisen, dass sie es ernst meinen: 60 Prozent der Menschen global sowie in Deutschland sind der Überzeugung, dass CEOs mehr von Gier getrieben sind als von dem Wunsch, Positives zu bewirken. Hinzu kommt, dass weltweit 47 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass CEOs einen zu starken Fokus auf globale statt auf nationale und lokale Themen setzen.

2. Prioritäten nach Marktdynamiken richtig setzen

Das Fundament eines erfolgreichen langfristigen Engagements bildet die Wahl der Themen, die Unternehmen adressieren. Das Edelman Trust Barometer zeigt, dass Menschen in Ländern mit sehr hohem Vertrauen vor allem erwarten, dass Unternehmen sich mehr um Themen rund um Arbeitsplätze, Verbraucherschutz und Verbesserung der Lebensqualität kümmern. In Märkten, in denen das Vertrauen rückläufig ist, wünschen sich Menschen vor allem, dass Unternehmen zum Verbraucherschutz und zum Schutz der Privatsphäre beitragen.

3. Haltung zeigen bei wichtigen gesellschaftlich Themen

Wenn es um die Adressierung gesellschaftlicher Themen geht, wird Unternehmen heutzutage eine beinahe genauso hohe Glaubwürdigkeit zugeschrieben wie Medien (46 Prozent vs. 54 Prozent). Hinzu kommt: Die Mehrheit der Befragten (84 Prozent) erwartet von CEOs, dass sie sich in Gespräche und politische Debatten zu wichtigen gesellschaftlichen Themen einmischen und klar Stellung beziehen. Nichts tun und schweigen ist heute keine Option mehr.

4. Mitarbeiter einbinden und deren Stimme ernst nehmen

Die Befragten des Edelman Trust Barometers sehen aber nicht nur CEOs in der Pflicht, sondern auch die Mitarbeiter eines Unternehmens: Von ihnen wird erwartet, dass sie nicht nur mit dem Strom mitschwimmen, sondern die eigene Stimme erheben, um auf Missstände hinzuweisen (82 Prozent) oder auch wichtige gesellschaftliche Themen gegenüber dem Management zu adressieren (61 Prozent). Die aktive Unterstützung der gesellschaftlichen Aktivitäten des Unternehmens erwarten 80 Prozent der Befragten. Für Unternehmen bedeutet das: Die Stimmen der Mitarbeiter ernst zu nehmen und Möglichkeiten der Partizipation zu schaffen. Tun sie dies nicht, verspielen sie das hohe Vertrauen, das Menschen in ihre Arbeitgeber haben (weltweit: 72 Prozent, Deutschland: 71 Prozent). Es ist heutzutage keine Frage mehr, ob Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen sollten, sondern wofür und wie.

Erstveröffentlichung im Magazin Kommunikationsmanager 1-2018.